Junge Röthäute erobern das Museum

HEPPENHEIM – Da staunten die Bleichgesichter nicht schlecht: Mit Stirnbändern und prächtigem Federschmuck waren sie am Freitagnachmittag von der Konrad-Adenauer-Schule (KAS) ausgezogen, über 50 kleine Squaws und Häuptlinge, hatten zum Klang der Trommel ihr Indianerlied angestimmt und vor dem Marstall ihr Lager aufgeschlagen.

Auf dem Kriegspfad waren sie jedoch nicht, hatten auch Magistratsmitglied Oliver Wilkening, der zur Begrüßung der Rothäute als Parlamentär aus dem Rathaus entsandt worden war, gleich von ihren friedlichen Absichten überzeugt.
Denn die Schüler der drei zweiten Klassen hatten ihre vertrauten Wigwams und die neue Versammlungsstätte an der Mainzer Straße im Westen der Stadt verlassen, um Eltern und Gästen zu zeigen, was sie drei Monate lang in einem gemeinsamen Projekt mit der Wohngemeinschaft Bergstraße (WGB) über das Leben und die Kultur der amerikanischen Ureinwohner herausgefunden hatten. Wie berichtet, steht seit einigen Tagen ein waschechtes Tipi auf dem Schulhof der KAS, aufgebaut von WGB-Arbeitserzieher Thomas Hofstädter und seinem Team.
Schüler huldigen Mutter Erde
Was die Schüler darüber hinaus im Unterricht angefertigt hatten – Arbeitshefte, Traumfänger, Masken, Medizinbeutel, kleine Webstühle mit bunten Stoffproben, eine große Karte der „Schildkröteninsel“, wie Chippewa und Irokesen Nordamerika genannt hatten, ein Indianerdorf sowie eine Szene aus dem Reservat, denn auch das Schicksal der Nachkommen der stolzen Stämme hat die Schüler beschäftigt – ist bis 12. Juni (Sonntag) im städtischen Museum im Amtshof zu sehen.
Für die Vernissage ihrer Ausstellung „Tipi, Totempfahl und Tomaten“ hatten Schneller Jäger, Tobender Hengst, Lustiges Herz, Großer Donnervogel, Schwimmende Eidechse, Lesende Katze und wie sie sich alle als Indianer genannt hatten, mit ihren Lehrerinnen Tina Friedmann, Waltraud Haas und Sabine Schreck zudem ein großes Programm einstudiert.
Im Ausstellungsraum des Museums neben dem Marstall lud eine gemütliche Kuschelecke ein, den Schülern von Tina Friedmann zu lauschen, die frei und ganz ohne Gedächtnisstütze indianische Märchen erzählten wie die Legende vom Raben, der Eule und der Schlange, die vergeblich versucht hatten, das Feuer auf die Erde zu holen, während die kleine Wasserspinne es schafft, mit einem feingewebten Transportbehälter ein Stück Holzkohle nach Hause zu bringen.
„Mother Earth“ – Mutter Erde – huldigten derweil die Schüler der Parallelklassen mit einem indianischen Dankgebet in Englisch, und zum Abschluss ließ Zweitklässlerin Clara mit dem Stück „Westwärts zieh’n die Wagen“ hören, was sie im Klavierunterricht am Konservatorium schon gelernt hatte.
„Die Schüler haben mit Begeisterung am Projekt gearbeitet“, hatte zuvor KAS-Schulleiterin Angelika Kicherer den Eltern und Gästen, die sich zur Eröffnung eingefunden hatten, berichtet. Im Unterricht und auf dem Hof hätten sie sich mit ihren Indianernamen angesprochen, ihre Lehrer in den Klassenräumen mit „How“ begrüßt, und in den Pausen wäre schon mal der eine oder andere selbst hergestellte Pfeil durch die Luft geschwirrt. „Ich denke“, so Kicherer weiter, „die tollen Ergebnisse werden Sie genauso begeistern wie mich. Die Kinder haben das ganz super gemacht und ich hoffe auf viele weitere Projekte an unserer Schule.“ Gemeinsam mit den Männern der Wohngemeinschaft Bergstraße, die sich schon beim Anlegen und der Pflege des Schulgartens mächtig ins Zeug gelegt hatten, auf der einen Seite; mit Hilfe des Fördervereines der Adenauerschule, der auch das Indianerprojekt großzügig unterstützt hatte, auf der anderen Seite.
Streichorchester spielt „Aus der Neuen Welt“
Nicht abreißen soll auch die Verbindung zum Konservatorium Bergstraße: Leiterin Hilde Rittersberger-Straub war ebenso zur Vernissage gekommen wie Musiklehrer Sorin-Dan Capatina, der mit einem Streichorchester passend zum Thema den zweiten Satz der 9. Sinfonie „Aus der Neuen Welt“ von Antonin Dvorak einstudiert hatte, und auch an der heute beginnenden Projektwoche in der KAS wird das Konservatorium beteiligt sein. Das Thema „Indianer“ soll dabei bis 9. Juni (Donnerstag), wenn zum Abschlussfest ab 17 Uhr die Ergebnisse der Projektwoche vorgestellt werden, die ganze Schulgemeinde beschäftigen.
Text: Sigrid Jahn (Echo-online)
Bild: Karl-Heinz-Köppner